Auslandspraktikum in Frederikshavn/ Nordjütland mit Erasmus+

Ein Reisebrericht von Silke Ilse-Marie Köster 

Nach Beendigung meiner Ausbildung zur sozialpädagogischen Assistentin im Januar 2023 hatte ich die Möglichkeit, innerhalb eines Jahres ein Auslandspraktikum mit Erasmus+ zu absolvieren. Meine Wahl fiel auf Dänemark, wo ich von April bis Juli 2023 in Frederikshavn/ Nordjütland im Børnehuset Bangsbo und Skovbørnehaven Bangsbo gearbeitet habe. Ich bin wohl noch nie so gerne zur Arbeit gegangen. 😉
Im Herbst 2022 hatte ich begonnen, im Internet nach einer geeigneten Einrichtung zu recherchieren. Den Kindergärten in Dänemark war das Erasmus- Programm nicht bekannt, sodass ich von den
ersten Einrichtungen, die ich danach fragte, direkt am Telefon eine Absage erhielt. Ich gab nicht auf, in Eigenregie eine geeignete Einrichtung zu finden.
Im November ergab sich der telefonische Kontakt zur Leiterin des Bangsbo Børnehuset und ich bin heute noch dankbar, dass Mette Hestehaven mir die Möglichkeit gegeben hat, ihre Einrichtung und die Arbeitsweise dort kennenzulernen.
Die Stadt Frederikshavn war mir von zahlreichen Familienurlauben in der Gegend bekannt. Ich habe parallel zu den Prüfungen meinen Auslandsaufenthalt geplant. Wenn man zu Beginn des Praktikums nicht mehr SchülerIn der Berufsschule ist, muss man sich selbst organisieren. Mein Englischlehrer Herr Nelges, der das Programm in der Klasse vorgestellt hatte, empfahl mir die Gesellschaft für Europabildung in Berlin, die mich sehr freundlich, kompetent und kooperativ bei meiner Planung begleitet hat.
Es gab vor dem Praktikumsbeginn noch ein sehr aufschlussreiches, spannendes und fröhliches Informationstreffen mit Berufsschülern, die sich für Praktika in unterschiedlichen Ländern angemeldet hatten.
Einen Monat vor Praktikumsbeginn fuhr ich ein paar Tage nach Frederikshavn, um mir eine Unterkunft zu suchen und mich im Kindergarten vorzustellen. Dort war mein erster Besuch schon so herzlich, dass ich letzte Zweifel fallenlassen konnte. Ich musste für die vier Monate vier verschiedene Wohnungen beziehen. Bis auf ein Appartement habe ich die Wohnungen über airbnb gebucht und habe beste Erfahrungen gemacht.
Am 31. März 2023 startete ich dann meine Reise mit Zug und Fahrrad über Flensburg weiter zu meiner ersten Unterkunft nach Skagen. In meinen Packtaschen befand sich das notwendigste Gepäck für die ersten Wochen.
Im April war ich in einem kleinen gemütlichen Holzhaus in Skagen untergebracht und fuhr jeden Morgen mit einer kleinen Bahn etwa 40 Minuten durch die herrliche Dünenlandschaft nach Frederikshavn zur Arbeit. Das Fahrrad hatte ich immer dabei und nach Ankunft des Zuges bin ich noch etwa drei Kilometer begleitet von Möwengeschrei durch das beschauliche Frederikshavn zur Arbeit geradelt.
Schon am ersten Arbeitstag wurde ich von den KollegInnen und Kindern so herzlich empfangen,
dass meine anfängliche Aufregung über die neue Arbeitssituation schnell überwunden war.
Ich habe mich dann so unkompliziert eingefügt und das gemacht, was gerade zu tun war. Ich habe
mich nach kurzer Zeit gleich zugehörig gefühlt, weil mir soviel Vertrauen und Freundlichkeit
entgegengebracht wurde.
Viele Abläufe waren mir tatsächlich aus Deutschland bekannt und doch habe ich in Dänemark eine
gewisse Gelassenheit mit den Routinen erlebt, was eine sehr entspannte Arbeitsatmosphäre spüren
ließ.
Der Kindergarten öffnet um 6.45 h und schließt etwa um 16.30h, am Freitag schon um 15.45h. Die meisten Kinder werden zwischen 8.00 und 9.00 Uhr gebracht und es gibt ein Tablet im Flur, wo die Eltern auf einer Liste eintragen, dass sie ihr Kind gebracht haben. Hier wird auch die Abholung dokumentiert. Diese Methode ist in Dänemark schon seit längerem etabliert.
Bis etwa 9.30 h ist freies Spiel, je nach Wetter drinnen und draußen und die drei verschiedenen Gruppen dürfen sich auch untereinander besuchen oder sich auch im Bewegungsraum treffen, der für alle Gruppen gleichermaßen zur Verfügung steht. Es gibt auch immer das Angebot zu malen oder Gesellschaftsspiele zu spielen oder zu puzzeln.
Grundsätzlich ist mir aufgefallen, dass hier die Zeit möglichst im Freien verbracht wird. Dann gibt es „Morgenmad“; die Kinder gehen Händewaschen und setzen sich an ihre Tische; dabei hat jede Gruppe unterschiedliche Methoden- die einen haben freie Platzwahl und eine Gruppe hat Tafeln mit Bildern der Kinder, so weiß jedes Kind, wo es sich hinsetzen soll.
Im Gegensatz zu den deutschen Kitas, die ich kenne, haben hier die Einrichtungen hohe Tische und Stühle für die Kinder. So können die Erwachsenen auf ganz normalen Stühlen am Tisch sitzen. Dazu fiel mir dann ein, dass es ja Zuhause auch die Hochstühle für die Kinder am Erwachsenentisch gibt.
Bevor das Essen beginnt, wird dann partizipativ erörtert, um welchen Wochentag es sich aktuell handelt und wie das Wetter ist. Mittels Zeichen wird das Ergebnis auf der Tafel dokumentiert. Die Kinder überprüfen auch noch gemeinsam mit den Erzieherinnen die Anwesenheit. Dafür hängen kleine Fotos der Kinder und Erwachsenen an der Tafel.
Nach dem Frühstück besteht für alle Erwachsenen die Möglichkeit, Angebote für die Kinder zu machen. Mal gibt es verschiedene Möglichkeiten, auch je nach Alter und es gibt auch Angebote, die dann für die ganze Gruppe gelten. Es wird auch viel gesungen und Musik gehört, dabei richtet man sich nach den Wünschen der Kinder.
Das ist hier die Hauptsache, dass die Kinder sich wohl fühlen. Sie sollen einfach Kind sein. Man hat das Vertrauen, dass jedes Kind zur rechten Zeit lernt, was es gerade braucht.
Am letzten Aprilwochenende vor meinem Wechsel in den Skovbørnehave zog ich mit meinem Gepäck auf dem Fahrrad in drei Etappen um nach Frederikshavn. Dort hatte ich eine kleine Dachgeschosswohnung, nicht weit vom Arbeitsplatz entfernt.
Meine Söhne hatten mich Ostern besucht und ich konnte einiges an Kleidung austauschen, jedoch
hatten sie ja auch noch andere Dinge mitgebracht, die ich auf der Hinfahrt zwecks Gewichtseinsparung noch Zuhause gelassen hatte. Es macht Spaß, so minimalistisch zu leben und festzustellen, dass man immer versorgt ist und gar nicht soviel zum Leben benötigt.
Zum ersten Mai wechselte ich nun in die Waldgruppe des Skovbørnehave, der im nahen Wald liegt
und zu Fuß etwa 5 Minuten vom Børnehus entfernt ist. Es war noch sehr kalt und die Bäume noch kahl, dafür schien häufig die Sonne.
Die Kinder sind sehr offenherzig und lebendig, sie bewegen sich selbstverständlich bei jedem Wetter draußen, immer mit der dementsprechenden Kleidung ausgerüstet.
Morgens um 6.30 h, wenn es noch kalt oder auch mal regnerisch ist, treffen sich die ersten Kinder, die dann gebracht werden, erstmal in dem kleinen Holzhaus, welches für den Kindergarten dort zur Verfügung steht. Dort findet man in zwei Gruppenräumen alles, was im konventionellen Kindergarten auch zu finden ist , Tische und Stühle, Bastelmaterial, Malpapier und Stifte, verschiedenes Spielzeug, Bücher und Puzzle. Das Haus bietet Platz für bis zu 22 Kinder. Es gibt zwei Toiletten und einen Wickelplatz.
Für die Erwachsenen gibt es einen Aufenthalts- und Vorbereitungsraum mit Küche und einen Raum
für besondere Materialien. Ebenso befindet sich auch eine Erwachsenentoilette in dem Gebäude.
Spätestens nach dem Frühstück geht es dann für alle hinaus in den Wald. Der Platz ums Haus wird
von den Kindern für viele verschiedene Spielideen genutzt.
Auch hier haben die Kinder ihr „ Madpakke“ dabei und eine Trinkflasche, sodass sie sich selbständig versorgen können. Lediglich den jüngeren Kindern muss manchmal beim Öffnen der Dosen geholfen werden.
Auch hier versorgen sie sich zum Mittagessen selbst mit von den Eltern vorbereiteten Speisen. Meistens ist das Butterbrot- „rugbrød med leverpostej“ ( eine Art Leberwurst) und Röstzwiebeln, oder auch mit Käse. Wenn ein Kind mal etwas zum Aufwärmen dabei hat, wird es auch im Backofen warmgemacht.
Normalerweise werden die Mahlzeiten immer draußen eingenommen.
Im Waldkindergarten spielen die Kinder meist nach ihren eigenen Ideen und werden darin von den
Erzieherinnen unterstützt. Es gibt bestimmte Wochentage, an denen die Kinder in unterschiedliche Gruppen aufgeteilt werden. Dann unternehmen die angehenden Schulkinder mit einer Erzieherin etwas anderes als der Rest der Gruppe und es gibt auch einen Mädchen- und Jungentag, an dem die Waldgruppe dann in der Weise geteilt wird.
Die Idee dabei ist, den Kindern die Möglichkeit zu geben, sich immer wieder anders kennenzulernen, zu entdecken und zu entfalten. In einer kleineren Gruppe können auch die Erzieherinnen die Kinder anders wahrnehmen als in der gewöhnlichen Zusammenstellung. Es werden viele Ausflüge gemacht. Sie gehen in den Wald, gerne zum „Pikkerbakken“, einer Aussichtsplattform, von der aus man auf Frederikshavn schauen kann. Von da oben werden dann immer die einzelnen Zuhause von den Kindern gesucht.
Wir flochten mit ihnen auch Kränze aus Butterblumen und sie toben herum, wie es ihnen gefällt.
Beliebt sind auch Busfahrten zu einem Spielplatz in der Stadt. So erlernen sie gleich Alltagskompetenzen beim Fahren mit öffentlichen Verkehrsmitteln.
Der Kindergarten verfügt über ein Transportfahrrad mit vier Sitzplätzen und auch damit sind Ausflüge mit einer Kleingruppe möglich, zum Beispiel zu einem Strand in der Nähe. Wir sind auch mit einer Gruppe hinunter zum Hafen gewandert. Dort gibt es viel zu sehen und auch da befindet sich ein beliebter Spielplatz zum Bewegen.
Bei schönem Wetter wanderten wir auch in den benachbarten Bangso Botaniske Haven (botanischer Garten)in dem es sich herrlich spielen lässt oder auch Geschichten vorgelesen werden oder die Kinder auch malen.
Bei all diesen Ausflügen ist meist das „ madpakke“ und die Trinkflasche dabei und es wird ganz
unkompliziert Mittag gemacht. Die meisten Kinder werden zwischen 13.00 und 14.00 Uhr abgeholt. Bis dahin ist die Gruppe wieder in der Einrichtung angekommen.
Mit Begeisterung habe ich zwei Monate im Skovbørnehave verbracht. Danach begann im Juli die
Ferienzeit und alle Kinder wurden im Børnehus betreut.
In beiden Einrichtungen wurden zum Beginn des Sommers die zukünftigen Schulkinder mit besonderen Ritualen verabschiedet. Es wurden zum Beispiel Studentenmützen gebastelt. Ich erlebte diesen Tag in der Waldgruppe- dort durften die Schulkinder der Reihe nach aus einem Fenster des Hauses springen und bekamen ein Abschiedsgeschenk mit Bildern zur Erinnerung an ihre Zeit dort.
Anfang Juli vor der Hauptferienzeit gab es einen Besuchsnachmittag für die Eltern. Die Kinder konnten dann ihren Eltern einmal stolz zeigen, was sie dort im Kindergarten machen. Zum Abschluss gab es Pizza für alle und es wurde gemeinsam gesungen.
Hier hat die Einrichtung im Sommer keine Schließzeiten, sondern stimmt den Einsatz vom Personal
quasi auf die Bedürfnisse der Familien ab. So haben die Erzieher die Möglichkeit, etwas freier zu sein in ihrer Urlaubswahl. Im Juli sind wenig Kinder in der Einrichtung und so werden sie gemeinsam in einem offenen Konzept betreut.
Das war für mich auch eine spannende Erfahrung, da die Kinder sich aus verschiedenen Gruppen
kennengelernt haben und auch gerne miteinander spielten. Immer wieder spürte ich diese freundliche, willkommene und familiäre Atmosphäre zwischen allen Beteiligten, egal ob Kind, Eltern oder Erzieher.
Es wird auch sehr darauf geachtet, dass es auch den Erwachsenen gut geht, unter anderem bei den
Sitzgelegenheiten und im täglichen Programm.
So fühlte ich mich sehr zu Hause dort, willkommen so wie ich bin. Der Kindergarten ist meine Familie geworden und ich denke dankbar und liebevoll an all die schönen Erlebnisse und Eindrücke zurück.
Deshalb kann ich wirklich sagen, dass ich noch nie so gerne zur Arbeit gegangen bin.
In meiner Freizeit und an den Wochenenden habe ich viele Ausflüge mit dem Fahrrad und auch mit
der Bahn gemacht. Ich war in Hirtshals, Aalborg und auch in Lønstrup, an vielen verschiedenen Nord- und Ostseestränden, bin auf Leuchttürme gestiegen und habe Ausstellungen besucht.
Besonders fasziniert hat mich das Haus von Anna und Michael Ancher, da ich in der Berufsschule im letzten Winter ein Referat über Anna Ancher und ihre Kunst erarbeitet habe. Damals wusste ich noch nicht, dass ich auch mal in Skagen wohnen würde.
Sooft ich es einrichten kann, will ich nach Nordjylland reisen und meine neu gewonnenen FreundInnen besuchen.
Ich habe viele freundliche und offenherzige Menschen getroffen und kennengelernt und auch die
flüchtigen Begegnungen waren immer von einer freundlichen, wertschätzenden und interessierten
Stimmung geprägt.
In den vier Monaten habe ich sehr viel erlebt, ich könnte Bände darüber schreiben. Obwohl ich vorher schon ganz gut Dänisch sprechen und verstehen konnte, haben sich auch meine Sprachkenntnisse wesentlich erweitert. Ich bin in der Lage, mich im beruflichen und privaten Kontext auf Dänisch fließend auszutauschen.
Wenn es mal Verständigungsprobleme gab, geht es in Dänemark immer gut mit Englisch weiter.
Ich kann es nur empfehlen, dieses motivierende Angebot von Erasmus+ zu nutzen, um einmal “über den Tellerrand“ zu schauen. Außerdem lernt man sich außerhalb seiner gewohnten Umgebung und der so viel zitierten „Komfortzone“ neu kennen.
Man ist herausgefordert, mit sich alleine zurechtzukommen und den neuen Alltag anzunehmen und
auch selbst immer wieder auf fremde Menschen zuzugehen.
Man wird mit der Zeit vertrauter und offener und traut sich auch immer mehr zu, sich einzubringen.
Das Arbeiten und Leben in einem fremden Land empfinde ich auf jeden Fall als eine Bereicherung,
beruflich und privat.